Ostern — einfach erklärt?!
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Unser Wunsch nach Einfachheit
Ich wurde letztens Gebeten einen Text zu schreiben, der die Bedeutung von Ostern einfach erklären soll. Dieser Wunsch nach Einfachheit passt zu unserer Zeit. Sie ist ist keine einfache. Sicher, für die meisten lebt es sich recht angenehm, ausser ein Corona Virus geht um. Aber in allem Angenehmen ist unser Leben letztlich doch komplex. Durch die Fülle des Angebots kann bereits ein einfacher Joghurteinkauf zur Herausforderung werden.
Welches Joghurt darf es denn sein? Erdbeere oder Schokolade? Bio oder Budget? Mit Proteinen oder Vitaminen angereichert? Bereits ein einfacher Einkauf wird so zu einer vielschichtigen Aufgabe. Wie viel mehr eröffnen existenzielle Fragen wie beispielsweise Karriereplanung, Partnerwahl oder Umgang mit Ressourcen noch ganz andere Komplexitäten.
Wer wünscht sich da nicht eine gewisse Einfachheit? Wir sehnen uns nach dem Einfachen: Einfach Ruhe, einfach frei sein, einfach mal Zeit für die Familie haben. Einfach und schnell soll die Lösung sein und die Dinge des Lebens einfach erklären. So verwundert auch nicht die Bitte darum Ostern doch mal einfach zu erklären. Das Gute an einfachen Erklärungen ist, dass sie uns helfen, die Dinge einzuordnen. Darin liegt die Schönheit der Einfachheit; sie schafft Ordnung, indem sich alles in «ein Fach» legen lässt. Darin begegnet uns aber auch eine Gefahr. Der Weg von «erklärt» zu «geklärt» und damit «erledigt» ist kurz. Gerade die Bedeutung von Ostern — wollen wir dieses Fest richtig verstehen — lässt sich nicht einfach erledigen. Dies liegt daran, dass es an Ostern um Jesus geht. «Jesus war schon in seiner eigenen Zeit nicht einfach, und er ist es auch heute nicht», schreibt der Theologe N.T. Wright in seinem Buch mit dem Titel «Jesus» treffend. Jesus liess und lässt sich nicht einordnen. Er passt weder in die Kategorie «nur Mensch» noch «einfach Gott» und selbst der Tod konnte ihn nicht fassen.
Ostern damals
Doch lassen Sie uns am Anfang beginnen. Richten wir den Blick zuerst auf das erste Ostern, um dann in unsere Zeit zurückzukehren. Die Ursprünge von Ostern liegen im Nahen Osten, in der Stadt Jerusalem. Damals wie heute war die Stimmung in dieser Stadt angespannt. Das ganze Land war von den Römern besetzt. Die Menschen litten unter dieser fremden Herrschaft. Sie sehnten sich nach Freiheit. Diese Sehnsucht wurde befeuert durch die biblischen Schriften der Propheten Israels. Sie versprachen einen Erlöser, einen Messias, der kommen werde, um sein Volk zu befreien. Diese Prophezeiungen waren im ganzen Volk bekannt. Die Leute rechneten damit, dass dieser Messias JETZT kommen werde, um sie politisch von Rom zu erlösen.
In dieses Pulverfass von nationaler Unterdrückung und prophetisch angeheizten Aufstandswünschen trat Jesus. Dabei entschärfte er die Situation nicht. Er befeuerte sie erst recht. Sein Reden und Handeln machten deutlich, dass er sich selbst als der erwartete Messias sah (vgl. Evangelium nach Matthäus 11, 1–6). Sein Kommen verhiess den Anbruch einer neuen Zeit. Eine Zeit, in welcher der Gott Israels wieder zu seinem Volk zurückkehrt und das Reich Gottes beginnt. Doch wie sollte dieses neue Reich aussehen? Die Jünger Jesu hatten eine einfache und klare Vorstellung. Sie wussten, was Jesus als verheissener Retter zu leisten hat: Er sollte die Römer loswerden und als gerechter König über Israel herrschen.
Doch Jesus schien nicht so einfach in ihre Agenda zu passen. Er machte deutlich, dass es einen radikalen Unterschied gibt zwischen den nationalen Wünschen und Hoffnungen und dem göttlichen Willen. Er kam nicht, um mit Gewalt die Römer zu besiegen und Israel zu befreien. Er lieferte sich selbst der Gewalt aus. Er liess sich kreuzigen, um so nicht nur Israel von fremder Herrschaft zu befreien, sondern die ganze Menschheit von der eigenen Schuld und Belastung und von den damit verbundenen Leiden zu erlösen. Während die Jünger einfach nur ihr Land befreien wollten, wollte Jesus mehr: alle Menschen sollten gerettet werden und Frieden finden.
Wir können nicht genug darüber staunen, dass Jesus auf die Macht und Kraft eines Putsches verzichtete und freiwillig in den Tod ging. Dieser Verzicht war und ist nicht einfach zu verstehen. Gerade der Jünger Petrus wurde dadurch in seinen Erwartungen und Wünschen enttäuscht. Es liegt nahe, dass er aus dieser Enttäuschung heraus Jesus verleugnete: «Diesen Jesus kenne ich nicht! — ich dachte, wir werden Israel einfach von den Römern befreien; dass er sich nun ohne Widerstand hergibt, kann und will ich einfach nicht verstehen — ich kenne diesen Jesus nicht!» (vgl. Matthäus 6, 69–75) Dass Petrus und die Jünger die Kreuzigung als vermeintliches Scheitern von Jesus erlebten, lag unter anderem auch an ihrer einfachen Sicht auf die Geschehnisse.
Doch nur ein paar Tage nach dem Sterben Jesus, hatte sich ihre Sicht drastisch verändert. Mit Mut und Entschlossenheit verkündeten sie nicht mehr einfach die Befreiung Israels, sondern Jesus als den auferstanden Retter aller Menschen. Solch eine drastische Veränderung lässt sich nicht einfach menschlich erklären. Sie ist für mich ein Wunder die im Mysterium der Auferstehung wurzelt. Jede andere Erklärung, als dass ihnen Jesus als Auferstandener erschien, scheint mir hier zu einfach zu sein.
Ostern heute
Diese Geschichte lässt mich über mein eigenes Leben nachdenken. Wo habe ich heute eine zu einfache Sicht auf Jesus oder die Ereignisse des eigenen Lebens? Wie oft meine ich aus meiner Erfahrung mit der Kirche oder Menschen, die an Gott glauben, zu wissen, wie Gott ist und wie er handeln sollte. Ob Atheist oder Christ — wir alle sind oft nicht anders als die Jünger Jesus: Wir haben fixe und klare Vorstellungen über Gott und das Leben. Wir Mensch im Westen haben — oder versuchen es zumindest — unsere Agenda und die damit verbundenen Zielsetzungen fest im Griff. Ostern durchbricht dieses Erfolgsstreben. Hier bietet sich eine wirkliche Alternative: Dort wo wir eigenen und fremden Ansprüchen nicht genügen können, begegnet uns Gottes heilende Liebe. Mit seinem Tod identifiziert sich Jesus mit unserem Leid. Er trägt unser Unvermögend. Seine Auferstehung zeugt von einer Kraft die über unser Möglichkeiten hinaus geht. Hier wirkt Gott anders und grösser, als wir es uns selbst vorstellen könnten. Mit dieser Auferstehungskraft Gottes kommt eine neue Dimension in unser Leben und beginnt es zu bereichern. Durch die erfahrene Liebe von Gott muss Streit nicht einfach das Ende der Beziehung sein — Vergebung und gar Versöhnung sind möglich. Mein eigenes Wohlergehen ist nicht mehr im Zentrum — ich kann erfahren, wie erfüllend es ist, andere glücklich zu machen. Das Osterereignis zeigt, dass Misserfolge nicht das Ende sein müssen– oft beginnt Gott im Zerbruch besonders zu wirken. Selbst der Tod verliert das schreckliche Gesicht — Jesus hat uns mit seiner Auferstehung an Ostern den Weg hin zum ewigen Leben mit Gott eröffnet.
So erinnert uns Ostern daran, dass Jesus unser Leben nicht einfach nur einfacher machen will. Er eröffnet uns eine Sicht auf viel mehr: auf Vergebung, auf Liebe und auf einen Neuanfang. Es gibt mehr als Materielles, Erklärbares und unsere eigenen Möglichkeiten.
Lese-Tipp: N.T. Wright, Jesus, Marburg an der Lahn 2013